DIN-Standard für die Vermittlung häuslicher Betreuungskräfte – ein neuer Meilenstein?

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DIN-Standard in der häuslichen Pflege

Immer mehr Menschen entscheiden sich heute dazu eine Betreuungskraft, die pflegebedürftige Angehörige versorgt, auf eigene Kosten einzustellen. Laut dem Bundesverband für häusliche Betreuung und Pflege (VHBP) sind es rund 700.000 ausländische Betreuungskräfte, die pro Jahr in Deutschland eingestellt werden. Die Pflegekräfte stammen vornehmlich aus Osteuropa (Polen, Bulgarien, Rumänien und Ukraine) und werden über verschiedene Agenturen vermittelt. Die häusliche Pflege in Deutschland befindet sich trotz der ansteigenden Nachfrage noch immer in einer Grauzone.

Anders als bei den Betreuungskräften im Altersheim gibt es bei den häuslichen Betreuungskräften keine Vorgaben wie eine vorher zu absolvierende dreijährige Ausbildung. Zu 98 % sind die Kräfte aus dem Ausland ungelernt oder aber nur angelernt. Zudem arbeiten sie zu 90 % illegal und schutzlos in Deutschland. Schutzlos in diesem Zusammenhang bedeutet, dass es keine genauen Vorgaben zur Unterbringung und dem Einsatzort der Betreuungskräfte wie beispielsweise ein eigenes Zimmer mit uneingeschränktem WLAN-Zugang gibt. Größtenteils werden auch keine Arbeitsverträge geschlossen, dementsprechend gibt es hier auch keinen Mindestlohn.

Dies ist ein Zustand, dem das Stuttgarter Pflegeunternehmen „Mecasa“ gemeinsam mit der Universität Heidelberg entgegenwirken möchte. Sie entwickelten ein psychologisches Zuordnungssystem, welches durch Fördergelder der Europäischen Union unterstützt wird, um das Zusammenbringen der Betreuungskräfte und der unterstützungsbedürftigen Personen besser abzustimmen. Das psychologische Zuordnungssystem berücksichtigt dabei u.a. das von der zu pflegenden Person gewünschte Kommunikationsverhalten. Handelt es sich um eine eher zurückgezogene Person, die lieber ihre Ruhe möchte oder wünscht sie sich viel Unterhaltung? Wünscht sich die Person im Alltag Zuspruch und Trost oder legt sie mehr Wert auf Abstand, eine auf das Wesentliche konzentrierte Beziehung?

Dem Stuttgarter Start-up Pflegeunternehmen ist es außerdem gelungen, für die Erarbeitung eines DIN-zertifizierten Standards, Pflegewissenschaftler, Verbraucherschützer, Juristen und auf Qualität bedachte Anbieter an einen Tisch zu holen. Dieser Arbeitsgruppe schlossen sich ebenfalls die Stiftung Warentest, das Kuratorium Deutsche Altershilfe, der DIN-Verbraucherrat, die Bundesinteressenvertretung für alte und pflegebetroffene Menschen und eine Vielzahl an Wissenschaftlern an. Nach eineinhalb Jahren und 19 Sitzungen entstand der erste DIN-Standard für die Vermittlung häuslicher Betreuungskräfte – DIN SPEC 33454. Der Standard beschreibt auf 35 Seiten die Anforderungen an die Vermittler, Dienstleistungserbringer und Betreuungskräfte. Unternehmen können sich freiwillig nach dem neuen Standard zertifizieren lassen.



Was schreibt der DIN-Standard vor?

… für die Betreuungskraft?

• Betreuungskraft zwischen 18 und 67 Jahren
• Ärztliche Unbedenklichkeitsbescheinigung
• Polizeiliches Führungszeugnis
• Deutsche Sprache auf Stufe A1 beherrschen
• Personale Kompetenzen: Anpassungsfähigkeit, Eigenverantwortung, Leistungs- und
Verantwortungsbereitschaft
• Ab 01.03.2022 Erste-Hilfe-Kurs (nicht älter als 5 Jahre)

… für die häusliche Umgebung?

• Eigenes Zimmer für Betreuungskraft, uneingeschränktes WLAN, Zugang zu Toilette
und Dusche, Kochgelegenheit
• Angemessenes Haushaltsbudget

… für die Vermittler?

• Auf der Website muss Firmenname, vollständige Anschrift, Erreichbarkeit per Telefon
und E-Mail hervorgehoben werden
• Betriebshaftpflichtversicherung
• Unternehmen muss selbst ausgebildete Krankenschwestern und Altenpfleger
beschäftigen
• Möglichkeit für Kunden 1x im Quartal mit examinierter Fachkraft zu sprechen
• 24-Stunden-Notrufnummer
• Schriftliche Verträge in Papierform
• Zahlung des Mindestlohns


Des Weiteren enthält DIN SPEC 33454 die Vorgabe, dass jede Anfrage eines Kunden durch eine Pflegefachkraft freigegeben werden muss. Sie muss bewerten, ob die Betreuung im häuslichen Umfeld befürwortet, abgelehnt oder an Bedingungen knüpft wird. Eine solche kann sein, dass zusätzlich ein Pflegedienst eingeschaltet wird.

Die Einhaltung des DIN-Standards wird von der Prüfgesellschaft DEKRA in Form eines eintägigen Audits überwacht. Hierbei werden Prozesse und Kunden beispielhaft überprüft. Dies findet alle 18 Monate statt. Interessierte Arbeitgeber können sich für eine Zertifizierung an die Ansprechpartner der DEKRA wenden oder sich über ein online Webinar informieren. Ob der freiwillige DIN-Standard eines Tages zu einer verpflichtenden DIN-Norm wird, bleibt fraglich. Immerhin ist die Politik bereits auf den DIN-Standard aufmerksam geworden,
zumindest als kleiner Anstoß für eine derzeit noch fehlenden klaren gesetzlichen Regelung. Solange jedoch Schwarzarbeit flächendeckend geduldet und Familien sowie Betreuungskräften keine Rechtssicherheit geboten werden kann, bleibt es dabei, dass der günstigere und damit der illegale Weg der häuslichen Betreuung gewählt wird. Es ist noch ein langer Weg.

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